Permakultur

Julious Piti (46) ist ein international anerkannter Experte für Permakultur, einer Methode nachhaltiger Landwirtschaft. Er ist Mitbegründer unserer Partnerorganisationen CELUCT und TSURO in Simbabwe. Im Juni war er  zu Besuch in Berlin, um sein aktuelles Projekt PORET vorzustellen. Bei verschiedenen Veranstaltungen, die der Weltfriedensdient mitorganisierte, berichtete er von seiner Permakultur-Arbeit im östlichen Afrika. Im Interview erklärt er, wie man unter Bedingungen extremer Trockenheit nachhaltig mit Wasser wirtschaftet.

Julious, Du hast Dir mit Deiner Arbeit zu Permakultur international einen Namen gemacht. Wie bist Du das erste Mal mit Permakultur in Berührung gekommen?

Meine Familie und ich sind in den 1980er vor dem Bürgerkrieg in Mosambik nach Chikukwa in Simbabwe geflohen. Wir lebten in der Nähe des Dschungels und ernährten uns vor allem von Früchten und Wurzeln. Da habe ich zum ersten Mal die Erfahrung gemacht, dass der Dschungel sich um all seine Bewohner kümmert.

Hier hatte ich auch meine erste Begegnung mit Permakultur: Wir lebten auf einem Berg, auf dem es sehr trocken war und nichts wuchs. Meine Familie und ich begannen Essensabfälle aus der Küche in einer Grube zu sammeln. Darauf pflanzten wir dann Zuckerrohr und anderes Obst und Gemüse an. Zur Bewässerung nutzten wir nur Regenwässer, das sich in der Grube sammelte. Schon bald blühte alles und wir konnten die Früchte ernten. Eines Tages besuchte mich ein Freund und fragte erstaunt, wie wir auf diesem trockenen Berg etwas anbauen konnten. Ich erklärte ihm unsere Methode und er sagte, wir würden – ohne es zu wissen – Permakultur betreiben. Da war mein Interesse geweckt und ich begann Permakultur zu studieren.

Nach Deinem Studium hast Du Dich intensiv für die Verbreitung von Permakultur eingesetzt und Projekte in Simbabwe, Tansania, Uganda und Malawi gegründet. Kannst du definieren, was Permakultur für dich bedeutet?

Für mich bedeutet Permakultur die Entstehung von etwas Neuem ohne Zerstörung von dem, was bereits da ist. Aber es ist mehr als nur eine Art zu produzieren, es ist auch ein politisches, soziales und wirtschaftliches Wertesystem, das alle Lebewesen respektiert. Permakultur beruht darauf, Ressourcen zu teilen und für die Erde und für einander zu sorgen. Viele der Probleme, die wir in unserer Gesellschaft haben, gehen auf Gier und die fehlende Bereitschaft zu teilen zurück. Wenn wir die Permakultur-Prinzipien befolgen, dann können auch die Benachteiligten der Gemeinschaft in Würde leben.

Eines der größten Probleme, um die es in Deinen Projekten geht, ist die Trockenheit in den Regionen. Haben die Menschen immer schon damit zu kämpfen oder ist das ein relativ neues Problem? Was sind die Ursachen?

Die extreme Trockenheit ist neu. Wir, die Menschen, sind die Hauptverantwortlichen dafür, denn wir haben den Wasserkreislauf aus seinem natürlichen Rhythmus gebracht. Das größte Problem in unserer Region ist, dass das Land durch Überweidung und nicht-nachhaltige Landwirtschaft abgenutzt wird. Die Böden sind so hart, dass das Regenwasser nicht versickern kann. Es fließt stattdessen direkt in die tiefer gelegenen Flüsse. Dabei zerstört es die oberen Sandschichten, was den Böden noch mehr schadet. Ohne das Grundwasser verdursten die Pflanzen, Tiere sterben und Wüsten entstehen.
Ein weiteres Problem ist, dass es insgesamt wengier regnet. Der Grund dafür ist die massive Abholzung des Regenwaldes durch russische und chinesische Konzerne in unserem Nachbarland Mosambik. Über dem Wald bilden sich Wolken und regnen über Chimanimani ab. Wenn wir die Konzerne nicht stoppen, wird es in Simbabwe bald gar keinen Regen mehr geben – das ist Selbstmord. Der globale Klimawandel verschlimmert alles noch zusätzlich.

Wie hilft Permakultur gegen diese Trockenheit?

Permakultur regeneriert die Böden. Während herkömmliche Landwirtschaft mit Chemikalien arbeitet, die die Mikroorganismen im Boden tötet, arbeitet Permakultur mit diesen zusammen, um die Erde zu beleben. Eine unserer Methoden ist es, Bäume auf den Feldern zu pflanzen. Diese lockern die Erde auf und sorgen so dafür, dass das Wasser versickert. Außerdem heben wir auf den Berghängen Gräben aus, in denen sich der Regen sammelt und die umliegenden Felder versorgt. Auch sonst achten wir auf ein effizientes Wasser-Management: Wir sammeln den Regen von unseren Dächern in unterirdischen Zisternen. Das Wasser nutzen wir dann für uns und unsere Tiere.

In unserer Arbeit versuchen wir die deutschsprachige Öffentlichkeit für Land- und Wasserraub zu sensibilieren– sind das auch Probleme, mit denen ihr zu kämpfen habt?

Ja, auch bei uns in Simbabwe ist Landgrabbing ein Problem. Die Regierung verkauft das Land an ausländische Investoren, die rücksichtslos das Wasser aus den Flüssen und Seen abpumpen und das Land mit Pestiziden vergiften. Für die KleinbäuerInnnen, die das Wasser zum Überleben brauchen, bleibt dann nichts mehr übrig. Sie kennen ihre Rechte nicht und können sich nicht gegen die großen Konzerne wehren. Die Regierungen in Afrika müssen langsam verstehen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt: Am Ende des Tages führen ausländischen Investitionen oft nicht zur erhoffen Verbesserung der Lebensumstände, sondern dazu, dass die Menschen noch mehr leiden.

Du hast gesagt, dass Permakultur mehr als eine Anbauweise ist. Jenseits von den landwirtschaftlichen Aspekten – inwieweit hat Permakultur das Zusammenleben in den Gemeinschaften verändert?

Eines der Prinzipien von Permakultur ist, dass niemand alles wissen kann. Es geht immer darum, Wissen zu teilen. Alles, was wir in den Projekten machen, dreht sich darum. Ein Beispiel dafür sind die „Field Days“: dabei tauschen KleinbäuerInnnen ihre Erfahrungen aus und prämieren die besten Ernte-Erfolge. So lernen die Menschen voneinander und beginnen sich zu vertrauen.

Ein anderes Prinzip ist, dass sich alle Mitglieder der Gemeinschaft an der Permakultur-Arbeit beteiligen. Die Kinder gehen in unseren Projekt-Kindergarten und lernen dort schon früh einen nachhaltigen Umgang mit der Natur kennen. Dadurch werden die Frauen bei der Kinderbetreuung unterstützt und können innerhalb der Gemeinschaft eine aktive Rolle einnehmen. Viele unserer Permakultur-TrainerInnen sind Frauen. Es geht darum, dass jeder seinen kleinen Teil zu einem größeren Ganzen beiträgt. Letzten Endes ist Permakultur ein Friedensprojekt.

Deine Permakultur-Projekte CELUCT und TSURO sind langjährige Partnerorganisationen des Weltfriedensdienst e.V. Kannst du uns etwas über diese Zusammenarbeit erzählen?

Ohne die Zusammenarbeit mit dem Weltfriedensdienst und Brot für die Welt wären wir heute nicht da, wo wir jetzt sind. Als wir mit CELUCT angefangen haben, hatten wir weder Geld noch Erfahrung. Der Weltfriedensdienst und Brot für die Welt haben trotzdem an uns geglaubt und waren mutig genug, uns KleinbäuerInnen zu unterstützen. Der Weltfriedensdienst ging sogar noch einen Schritt weiter und schickte uns eine Kooperantin, die uns bei dem Aufbau unserer Organisation und der Entwicklung unseres Projekts half.

Wir können mittlerweile auf über 20 Jahre Kooperation mit dem Weltfriedensdienst zurückblicken. Dieser Ansatz ist einzigartig. Viele NGOs unterstützen Projekte wie unseres immer nur für ein Jahr, aber in einem Jahr kann keine Gemeinschaft zusammenwachsen. Der Weltfriedensdienst verändert die Lebensumstände der Menschen nachhaltig. Ich denke, viele andere NGOs können davon lernen.

Abschließend würden wir gerne von Dir wissen, was Deine Vision für Permakultur ist? Und wie hängen Deine persönliche Pläne damit zusammen?

Meine Vision für Permakultur ist, den Machtlosen Macht zu geben, und Frieden, Freiheit und Ernährungs-Souveränität für alle Menschen zu gewährleisten. Außerdem geht es darum, Ideen dafür zu entwickeln, wie wir noch tausende von Jahren im Einklang mit der Natur leben können. Daher will ich mich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass unsere erfolgreiche Permakultur-Arbeit in Chimanimani zum Vorbild für andere Regionen in Afrika wird. Nach Abschluss meines aktuellen Projekts würde ich gern zurück in meine Heimat nach Mosambik gehen, um mich dort für die Erhaltung des Regenwaldes einzusetzen. Dort möchte ich ein Museum gründen, um die Schönheit und Artenvielfalt des Dschungels zu feiern. Ich will etwas hinterlassen, sodass, wenn ich sterbe, ich nicht wirklich sterbe.

Das Interview führten Anne Schlüter und Jonathan Dümchen

Gemeinsam mit lokalen Partnern unterstützen wir Menschen, ihre Lebensumstände aus eigener Kraft zu verbessern. Als gemeinnützige Organisation der Entwicklungszusammenarbeit sind wir in mehr als 20 Ländern rund um den Globus aktiv.